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Bing 2 Student Type

Bing Werke

 

ab 1927

Bing Student Type 

 

Bing Student Type 

Modell Bing No. 2 "Student Type" model
Typ Lehrmittelschreibmaschine type
Konstrukteur / Erfinder Ludwig Reischl (14) inventor
Hersteller Bing-Werke AG, Nürnberg, Deutschland manufacturer
Produktionsort Nürnberg, Deutschland place of production
Seriennummer (Baujahr) keine (ab 1927) (2) serial number (year made)
bekannte Seriennummern

(die Maschinen tragen keine Seriennummer)

known serial numbers
Tastatur Englisch keyboard
gebaut von - bis 1927 (1, 2) - ? production years
Anmerkungen

Nachfolgemodell der Bing (1925)

remarks
Patente s. unten patents
Nachfolgemodelle

 

followed by
Status eigene Sammlung status
Gesamtstückzahl   numbers made

Bing Student Type

Bing Student Type 

Bing Student Type

Bing Student Type

Bing Student Type 

Chronologische Übersicht der produzierten Bing und Orga Modelle (Stand 18.6.2012)

Hersteller: bis 1932: Bing-Werke AG; ab April 1932: Orga AG; später (16): Royal Schreibmaschinen GmbH
Jahre (von - bis) Modell Anmerkung
1922 (2, 5) - 1934 (2, 5) (15) Orga Standard Konstrukteur: Heinrich Grützmann
1923-24 (5) Orga Privat Modell 1 Konstrukteur: Ludwig Reischl
1924-25 (5) Orga Privat Modell 2  
1925-27 (5) Orga Privat Modell 3  
1925 (2) oder 1926 (5) Bing Konstrukteur: Ludwig Reischl; Modell mit Farbröllchen
1927 (2) - ? Bing No. 2 Modell mit Farbband. 2 Varianten: No. 2 "Bing" auf Blechboden; No. 2 "Bing Student Type" auf Holzplatte"
1927-28 (5) Orga Privat Modell 4  
1928-33 (5) Orga Privat Modell 5  
1933-34 (5) Orga Privat Modell 6 Von (5) als von der deutschen Royal produziert aufgeführt (16)
1934-35 (5) Orga Privat Modell 7  
1935-36 (5) Orga Privat Modell 8  
1937 oder 1947 (5) Orga Privat Modell 9  
1947-49 (5) Orga Privat Modell 10  
1949-50 (5) Orga Privat Modell 12 kein Modell 11 ist verzeichnet!
1950-53 (5) (Royal) Superia direkte Nachfolge des Modell 12 (17)

Ursprünge: Die Gebrüder Bing

Die Brüder Ignaz (1840 - 1918) und Adolf Bing gründeten im Jahr 1863 unter dem Namen "Gebrüder Bing" eine Handelsgesellschaft zum Vertrieb von Haushalts- und Spielwaren. (2, 7) Die Familie Bing war jüdisch und aus Bingen über Frankfurt am Main nach Franken gekommen. (7) Ab 1881 produzierten sie als "Nürnberger Metallwaarenfabrik Gebr. Bing" selbst, und stiegen in der Folge zur - Eigenbeschreibung im Katalog von 1906 - grössten Spielwarenfabrik der Welt mit über 3000 Mitarbeitern auf. (2)

 Bing Ignaz
Ignaz Bing (1840 - 1918). Bildquelle: www.zinnfiguren-bleifiguren.com

Der Erste Weltkrieg und die Folgen

Der Erste Weltkrieg wirkte sich negativ auf das Spielwarengeschäft aus: die Exporte brachen ein, was auch durch die Umstellung auf Kriegsproduktion nicht wettgemacht werden konnte. (2) Nach dem Tod des Firmengründers Ignaz Bing 1918 übernahm sein Sohn Stephan das Geschäft (er leitete es bis 1927) und änderte 1919 den Firmennamen auf "Bing-Werke AG". (2, 8) Im Bestreben, im nunmehr geänderten Geschäftsumfeld - u.a. erstarkte Konkurrenz in der Spielwarenproduktion durch englische und amerikanische Hersteller - zu reüssieren, setzte Bing auf Diversifizierung. Zu Beginn der 20er Jahre war die Nachfrage nach Schreibmaschinen rege, ein Produktionseinstieg bot sich an, und so wurde der Konstrukteur Heinrich Grützmann für den Bau einer Schreibmaschine unter Vertrag genommen. (2) Die daraus resultierende Orga-Standard Schreibmaschine kam 1922 auf den Markt. (2) Im selben Jahr wurde zu deren Vertriebszweck die Orga AG in Berlin gegründet. (2)

Es folgte im Jahr 1923 die kleinere Orga Privat Schreibmaschine (Konstrukteur: Ludwig Reischl (2)), die in der Folge mehrfach verbessert wurde. (2) Bis 1927 erschienen in rascher Abfolge die Orga Privat 2, 3 , 4 und 5. (2) Zu dieser Zeit (1923) waren die Bing-Werke AG schon ein Grosskonzern mit ca. 16.000 Mitarbeitern. (8)

 Orga Privat typewriter
Orga Privat 3, n° 90412

1925 (2) oder 1926 (5) kam schliesslich das erste Modell der Bing auf den Markt. Ausgezeichnet war sie als "Lehrmittelschreibmaschine". Konstrukteur war wiederum Ludwig Reischl. (14)

 Bing 1
Bing 1, Sammlung Alfred R. Wepf

1927 erschien die Bing No. 2, die in zwei verschiedenen Versionen angeboten wurde. Hier zeigen wir die seltenere Version "Student Type" mit Ringtasten. Sie ist auf ein Holzbrett montiert, im Gegensatz zum Blechuntersatz der anderen Variante. Wie lange die Bing produziert wurde, ist mir nicht bekannt (ich danke für Hinweise aus der lesenden Bevölkerung).

 bing
Bing No. 2, "Blechvariante". Courtesy A. Seaver

1927 war auch das Jahr, in dem Stephan Bing das väterliche Unternehmen verliess. (13) Er blieb in Nürnberg und stieg kurz danach bei den Vereinigten Spielwarenfabriken ein, die in der Folge mit den Trix Eisenbahnen weltberühmt wurden. (9, 10) Im Jahr 1938 musste die Familie Bing schliesslich dem Druck des Nationalsozialismus weichen. Die Anteile an der Firma wurden zwangsverkauft (11) und die Bings emigrierten nach England, wo Stephan Bing während des Kriegs interniert wurde und am 19. April 1940 an einer Herzattacke starb. (9, 10, 12)

 franz stephan bing
Stephan Bing und sein Sohn Franz, vermutlich 1938

Die Weltwirtschaftskrise und die Folgen

Als Folge der Weltwirtschaftskrise ging der Absatz zurück und sowohl der Konzern als Gesamtes als auch die Schreibmaschinensparte kämpfte mit vollen Lagern bei geringem Verkauf. Im Frühjahr 1932 war die Bing-Werke AG schliesslich zahlungsunfähig. (2) Die Konkursmasse wurde unter in denselben Sparten tätige Unternehmen aufgeteilt. (2) So blieb auch der Name "Bing" für die Herstellung von Vergasern für Autos und Motorräder erhalten. (2) Das Unternehmen ist noch heute tätig. (4)

Noch vor dem Zwangsausgleichverfahren hatte die Orga AG - bisher Vertreiberfirma der Schreibmaschinen - beschlossen, nunmehr in Eigenregie die "Orga" Schreibmaschinen zu produzieren. (2) Ab April 1932 wurde so die Herstellung der Orga von der Orga AG mit Sitz in Berlin aber Produktion in Nürnberg fortgesetzt. (2) Noch im selben Jahr erschien ein neues Modell, die Orga 6. (2) Die Produktion der Orga Standardschreibmaschine lief jedoch 1934 aus. (2) Lang-Krüger gibt 1936 die "Orga-Aktiengesellschaft, Berlin SW 68, Charlottenstrasse 96" als "Herstellerfirma und Vertrieb" an. (3)

 orga standard orga 8
Orga Standard und Orga 8. aus: Lang-Krüger 1936 (3)

Vier Jahre später, im Jahr 1936, gibt wiederum die Orga AG - seit 1932 Produzent und Vertreiber - den Vertrieb der Orga Schreibmaschinen an die Royal Schreibmaschinen GmbH ab. (2) Laut L. Dingwerth dürfte dies damit zu erklären sein, dass die Orga AG wegen "willkürlicher Preisgestaltung" und "aufgrund der Tatsache, dass die Orga Privat lange Zeit am Fachhandel vorbei an Waren- und Versandhäuser geliefert worden war", Probleme hatte, ihre Produkte im Fachhandel zu platzieren. (2) Dieses Manko konnte die Royal Schreibmaschinen GmbH ausgleichen. Laut Schramm 1962 wurde die Orga AG als Ganzes von Royal übernommen. (5)

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Hierin wurde nach dem Zweiten Weltkrieg angeknüpft: die Orga AG (im Besitz der deutschen Royal?) produzierte ab 1945 wieder Orga Privat Schreibmaschinen, das letzte um 1949/50 als Modell 12. (2, 5) Ab 1950 kam dann als direkter Nachfolger die Royal Superia auf den Markt. (2, 5, und Bildvergleich hier). Mit dem Produktionsende dieser Maschine im Jahr 1953 endet auch die Produktionsgeschichte der Orga Privat.

Alle Modelle zusammengefasst wurde die Orga Privat über fast 30 Jahre produziert, was an sich schon ein kleiner, und vielleicht nicht genug beachteter, Rekord ist.

Patente zur Bing

Konstrukteur der Bing war Ludwig Reischl.

ludwig reischl

Ernst Martin berichtet, dass Ludwig Reischl als Ingenieur bei Bing & Co eintrat, "wo er sich mit der Konstruktion von mechanischem Spielzeug und physikalsichen Übungsgeräten befasste. 1912 wurde er Oberingenieur und Abteilungsleiter. Besondere Verdienste erwarb er sich bei der Überführung der Kriegswirtschaft in Friedensbetrieb. In diese Zeit fallen auch seine Arbeiten zur Konstruktion der Orga-Privat, wobei ihm daran lag, eine gute, dabei aber möglichst wohlfeile Maschine herzustellen." "Neben diesen Aufgaben studierte Reischl fleissig den Vogelflug und seine Verwertung zum Menschenflug und beschäftigte sich erfolgreich als Segelflug- und Flugmodellkonstrukteur. 1927 trat R. bei Bing aus, um sich mit der Herstellung von mechanischen Blechspielwaren und Heimkinos für Schule und Haus zu erschwinglichen Preisen im eigenen Betrieb zu beschäftigen. "(1, @507f.) Er konstruierte auch einen Filmaufnahmeapparat. (1, @508)

Soweit Ernst Martin. Wie aus untenstehenden Patenten klar ersichtlich, hat Ludwig Reischl aber auch die Bing Schreibmaschine konstruiert. In den englischen Patenten wird sie als "Child's Typewriting Machine", also Kinderschreibmaschine geführt, die deutsche Bezeichnung ist aber jeweils "Lehrmittel- und Kinderschreibmaschine", also eine zusätzliche Kategorie, die über die reine Verwendung als Kinderschreibmaschine hinausdeutet.

Aus den Patentschriften geht hervor, dass das Patent in Deutschland am 21. Februar 1925 eingereicht wurde. (14)

 

 

 us patent
US Patent US1634725

Oben und unten: Patente für das erste Bing Modell aus 1925, noch mit Farbröllchen, das auf der unteren Zeichnung gut zu erkennen ist. Das Modell No. 2 aus 1927 wird schon ein Farbband haben.

 bing
US Patent US1634685

Mehr Bings im Netz:

- A. Betzwieser: Bing 2

- A. Betzwieser: Bing 2 (Student)

- typewriter.be: Bing 2

- mellow60s workshop: Bing 2

- The Virtual Typewriter Museum: Bing 2 (Student)

Zum Weiterlesen:

- Bernhard J. Schwarz zur Firmengeschichte der Bing (exzellent)

Quellen / sources:

(1) Ernst Martin, Die Schreibmaschine, Aachen 1949

(2) L. Dingwerth, Bing, Orga: Die Bing-Werke AG / Orga AG, in: L. Dingwerth, Die Geschichte der deutschen Schreibmaschinenfabriken, Band 2: Mittlere und kleine Hersteller, Kunstgraphik Dingwerth GmbH, Delbrück 2008, pp. 183 - 190.

(3) K. Lang, A. Krüger, Handbuch des Maschinenschreibens, Darmstadt 1936

(4) http://www.bingpower.de, abgerufen am 18.6.2012

(5) H.F.W. Schramm, Liste der Herstellungsdaten deutscher und ausländischer Schreibmaschinen, 11. Aufl., Burghagen Verlag, Hamburg 1962

(6) Royal Superia, in: L. Dingwerth, Lexikon historischer Schreibmaschinen. Für die Zeit von 1940 bis zum Beginn der Elektronik, p. 450.

(7) Rudolf Endres, Gebrüder Bing, Nürnberg, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44845> (16.01.2012), abgerufen 18.6.2012

(8) nuernberginfos.de, Bing-Werke AG - Ignaz Bing, online auf http://www.nuernberginfos.de/traditionsfirmen-aus-nuernberg/bing-werke-ignaz-bing.html , abgerufen am 18.6.2012

(9) nuernberginfos.de, Trix Vereinigte Spielwarenfabriken – Trix-Express – Trix-Metallbaukasten, online auf http://www.nuernberginfos.de/traditionsfirmen-aus-nuernberg/trix-express-modellbahn.html, abgerufen am 18.6.2012

(10) VV.AA., Trix, http://de.wikipedia.org/wiki/Trix, abgerufen am 18.6.2012

(11) Eine Abschrift des Vertrags vom 27. April / 12. Mai 1938 ist auf http://www.zinnfiguren-bleifiguren.com/Firmengeschichten/Haffner/Vertrag_Voelk.pdf abrufbar (besucht 18.6.2012)

(12) www.trixstadt.de, 1938 - Neuheiten und Zwangsverkauf, http://trixstadt.de/trix-express-geschichte/1938-neuheiten-und-zwangsverkauf/, abgerufen am 18.6.2012

(13) Bernhard J. Schwarz, Firmengeschichte Bing, S. 14, online auf http://www.zinnfiguren-bleifiguren.com/Firmengeschichten/Bing/bing_seite_14.htm#bing_seite_14, abgerufen am 18.6.2012

(14) US1634725

(15) Schramm (5) gibt als letzte Einträge in der Produktionsliste "- 32000....1934" und "-32500....1938". Nach L. Rolf ( L. Rolf, Orga Standard - Besser als ihr Ruf?, in: Historische Bürowelt, No. 42, Juni 1995, pp. 10-15) bedeutet dieser letzte Eintrag, dass die eigentliche Produktion 1934 endete, aus den noch vorhandenen Teilen bis 1938 aber ca. 500 Maschinen zusammengebaut wurden.

(16) Dieser Punkt muss noch abgeklärt werden: war die Orga AG, die ab 1932 die Orga Produktion übernommen hatte, Teil der deutschen Royal? Laut Dingwerth (2) gab die Orga AG 1936 den Vertrieb an die deutsche Royal ab. War sie aber eine Tochterfirma der Royal? Schramm (5) scheint dies zu vertreten und listet dementsprechend die Orga ab Modell 6 (1933) schon unter die Produktion der deutschen Royal. Andererseits firmiert formell die Orga AG als Hersteller der Maschinen: so belegt für die Orga Modell 9 (http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/16980629, abgerufen am 18.6.2012).

(17) s. Bildvergleich auf der Orga-Privat Seite.

(18) Zeitungsannonce der Royal Schreibmaschinen GmbH aus 1936 "Royal hat den Vertrieb der Orga übernommen!" in (2 @189)

© G. Sommeregger 2012

created 18.6.2012 - last update 13.7.2012

Danke für Kommentare und Korrekturen. Thank you for comments and corrections.