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Mignon Mod. 2 (rot)

AEG

 

1905 - ca. 1908

 Mignon 2 typewriter

 

 

Modell Mignon Modell 2 model
Typ Indexschreibmaschine / Zeigerschreibmaschine type
Konstrukteur / Erfinder Louis Sell, Berlin (D.R.P. 149308 vom 22. Dez. 1901)(1); Friedrich von Hefner-Alteneck (Verantwortlicher bei AEG)(4) inventor
Hersteller Allgemeine Electrizitäts-Gesellschaft (AEG), Berlin, Deutsches Reich manufacturer
Produktionsort Berlin, Deutsches Reich (heute: Bundesrepublik Deutschland) place of production
Vertrieb Union Schreibmaschinen Gesellschaft, Berlin W.8, Friedrichstrasse 74 (11) sales agent / distributor
Seriennummer (Baujahr) 3452 (1908)(1) serial number (year made)
Tastatur   keyboard
gebaut von - bis 1905 (1) - production years
Anmerkungen

Wie alt ist meine Mignon Schreibmaschine? Eine Aufstellung der Seriennummern zur Altersbestimmung finden Sie im Artikel von B. Kerschbaumer (1)

remarks
Geschichte   owner history
Gesamtstückzahl (alle Modelle) ca. 5000 numbers made (all models)

Mignon 2 typewriter 

Mignon 2 typewriter 

Mignon 2 typewriter

Mignon 2 typewriter 

Mignon 2 typewriter 

Mignon 2 typewriter 

Mignon 2 typewriter 

Mignon 2 typewriter 

Mignon 2 typewriter 

Mignon 2 typewriter 

Die Mignon - Eine Erfolgsgeschichte

Die Mignon ist eine seltsam anmutende Maschine. Auf den ersten Blick vielleicht gar nicht als vollwertige Schreibmaschine zu erkennen, dann aber sofort ein Liebling der Herzen. Besucher meines Schreibmaschinenmuseums zieht es immer magisch zu dieser Maschine. Und so unglaublich es klingt: mit ca. 350000 produzierten Einheiten und einer Produktionszeit von über 30 Jahren zählt sie zu den sehr erfolgreichen Schreibmaschinen.

Hier ein Überblick der Modellabfolge:

Mignon 1

Es ist nur ein Exemplar der Mignon 1 bekannt. (3)

Mignon 2

Das hier vorgestellte Modell Mignon 2 kam 1905 auf den Markt. (1) Die ersten ca. 5000 Exemplare (y) sollen rot lackiert gewesen sein (y). Mir sind die Seriennummern 757 als niedrigste und 4072 als höchste Nummer bekannt. Danach erschien die Mignon 2 in schwarzer Farbe.

Das "Schutzkästchen" über dem Schreibmechnismus ist aus Presspappe, oder Papiermaché. Dies konnte ich anhand eines kleinen Bruchs im Gehäuse verifizieren.

Mignon 2B

Gegen Ende der Produktion der Mignon 2 wurden Exemplare schon mit Metallkappe über dem Mechanismus so wie bei der Mignon 3 ausgestattet. (6) Nach Angaben der Virtual Typewriter Museums wurden von diesem Zwischenmodell 2B 3000 Stück in den Seriennummer 44000 bis 47000 hergestellt. (6)

Mignon 3

Die Mignon 3 hat als wesentliche Änderungen die nun abgerundete und aus Metall gefertigte Abdeckung des Mechanismus. Weiter gibt es einen Zeilenstell- und Rücklaufhebel.

 Mignon 3
Mignon 3, # 121892 (1919)

Mignon 4

Modell 4 bringt neu eine rechts neben dem Gehäuse angebrachte Rücktaste.

Olympia Plurotype

Die Olympia Plurotype schliesslich wurde ab 1933 hergestellt. (1)

 

 

 

 

Ursprung

Auf dem Papierblech der hier vorgestellten Mignon Modell 2 Schreibmaschine stehen die Siglen "AEG" (links) und "USG" (rechts). Auf der rechten Seite des die Mechanik umhüllenden Gehäuses stehen schliesslich die Buchstaben "D.R.P.". Was hat es damit auf sich? AEG ist eine auch heute noch geläufige Marke, man erinnert sich vielleicht an Waschmaschinen oder ähnliches Elektrogerät. USG erschliesst sich dem blossen Auge nicht. "D.R.P." steht für Deutsches Reichspatent.

AEG

Der volle Name von AEG, "Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft", weist schon durch die Schreibweise mit "c" auf einen alten Ursprung hin. Wirklich wurde diese Firma im Jahr 1883 als "Deutsche Edison-Gesellschaft für angewandte Elektricität" vom Berliner Ingenieur und Fabrikant Emil Rathenau (1838 - 1915) - der übrigens auch der Vater von Walter Rathenau war - gegründet. (8) Ab 1887 firmierte sie als "Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft". Es war die Gründerzeit der Elektrifizierung auch der grossen europäischen Städte, welche bald einen gewaltigen Aufschwung nahm. Elektrizität also - doch warum auf dieser Schreibmaschine, die offensichtlich nicht elektrifiziert ist?

Plan A und Plan B

Emil Rathenau hatte innerhalb der AEG Friedrich von Hefner-Alteneck (1845 - 1904) beauftragt, eine neue Schreibmaschine zu konstruieren. (8) Von Hefner-Alteneck war zu diesem Zeitpunkt AEG Aufsichtsratsmitglied, ein Elektrotechniker und Erfinder mit illustrer Vergangenheit, u.a. als einer der engsten Mitarbeiter von Werner von Siemens. (9) Gemeinsam in einem Team von einem Meister und sechs Mechanikern (8) entwickelte er um 1901/02 eine elektrifizierte Schreibmaschine, von der sechs Prototypen hergestellt wurden. (1) Das war der Plan A.

Plan B war ein mechanisches Schreibgerät, das auf einem 1901 von Dr. Louis Sell in Berlin beantragten Patent beruhte - es ist dies die Urform der späteren "Mignon". Die AEG produzierte auf Grundlage dieses Patents - nach den mir bekannten Quellen wiederum unter der Leitung von Friedrich von Hefner-Alteneck - 50 Prototypen. (1) Vor dem Aufsichtsrat nun fand diese mechanische Maschine, und nicht die elektrifizierte, Gnade - ein Plan B, der in eine grosse Erfolgsgeschichte münden sollte.

 dr. louis sell
Patent DE149308, beantragt am 22. Dezember 1901, ausgegeben am 10. März 1904, "Typenzylinderschreibmaschine ohne Tastatur"

Patentiert wurde "(e)ine Schreibmaschine ohne Tastatur, deren auf einer schwingenden Achse sitzender Typenzylinder mit einem, über ein Typenblatt in zwei Richtungen beweglichen Einstellzeiger gekuppelt ist und durch Bewegung eines Handgriffes eingestellt und zum Abdruck gebracht wird, dadurch gekennzeichnet, dass die einzustellenden Organe (Einstellzeiger und Typenzylinder) oder eines derselben mit Bezug auf den Einstellzeiger die wagerechte Bewegung des Handgriffes als auch die den Abdruck bewirkende, senkrecht schwingende Bewegung bezw. eine derselben in einem konstanten Verhältnis vergrössert auf die einzustellenden Organe bezw. auf das Organ übertragen werden, zum Zweck der Ermöglichung geringerer Handbewegung." - kompliziert? Genial! Wir kommen später noch einmal darauf zurück.

USG

Auf der französischen Version des Patents, das am 15. September 1903 beantragt und am 19. Jänner 1904 veröffentlicht wurde, firmierte nicht mehr Dr. L. Sell, sondern die "Union Schreibmaschinen-Gesellschaft mit beschränkter Haftung". (13) Dies ist also die Abkürzung "USG" auf der Mignon Modell 2.

 union schreibmaschinen
Patent FR335305 vom 15. September 1904, veröffentlicht 19. Jänner 1904 (zum Vergrössern anklicken)

Diese war am 15. August 1903 gegründet worden. (4, @200) Sie war von der AEG speziell als Vertriebsgesellschaft für die neue Schreibmaschine eingerichtet worden.

Am 6. Januar 1904 war Friedrich von Hefner-Alteneck verstorben. (9) Es stellt sich die Frage, ob er die Markteinführung der Mignon Mod. 1 noch erlebt hat. Die meisten Quellen geben 1904, Ernst Martin (4) jedoch schon 1903 als erstes Produktionsjahr an.

Mignon Modell 1

Lange Zeit war nichts über den Verbleib dieses ersten Mignon Modells, das ab 1904 hergestellt wurde (11), bekannt. (1) Erst nach der Wende stiessen westdeutsche Schreibmaschinensammler im Erfurter Museum für Stadtgeschichte auf ein Exemplar der Mignon 1. (10) Diese erste Version der Mignon ist kleiner und kompakter als das zweite Modell. Die zwei Tasten für Abdruck und Leerzeichen sind direkt vor dem Zeigerfeld angebracht. Der Knopf zur Auswahl des Buchstabens scheint dafür rechts zu sein, eine im gesamten also spiegelverkehrte Konstruktion zur den uns geläufigen Nachfolgemodellen. Ein roter Schriftzug "Mignon" mit zwei Sternen prangt an der Vorderseite des Abdeckhäuschens, das aus Metall gefertigt ist, auf der Oberseite der Vermerk "D.R.P. No. 149308.". (12) Sie können ein Photo dieser Maschine im Artikel von B. Kerschbaumer sehen. (1)

Aufschwung

Mignon Modell 2

Schon 1905 folgte das Modell 2. (5) Die vorhandenen Seriennummern lassen darauf schliessen, dass die ersten (ca. 5000?) Exemplare der Mignon 2 rot lackiert waren, gefolgt von der häufigeren schwarzen Lackierung (Seriennummern bis ca. 40000). (1)

Es war dies schon die auch noch für die Modelle 3 und 4 gültige Grundgestalt der Mignon.

 

Weitere rote Mignon 2 im Netz:

- # 757: The Virtual Typewriter Museum

- # 1472: Finnish Typewriter Museum

- # 3423: Typewriter House Collector

- # 3470: Typewriter.be

- # 4072: A. Betzwieser

- Schreibmaschinenmuseum Beck

 

Quellen / sources:

(1) B. Kerschbaumer (transl. R. Polt), Mignon, The Classic Typewriter Page, http://site.xavier.edu/polt/typewriters/mignon.html (abgerufen 9.12.2012)

(2) W. A. Beeching, Century of the Typewriter, London 1974

(3) G. Krumeich, "Mignon Mod 1" gesichtet!, in: Historische Bürowelt Nr. 26, Februar 1990, 9-11.

(4) Ernst Martin, Die Schreibmaschine und ihre Entwicklungsgeschichte, Aachen 1949, p. 338.

(5) H.F.W. Schramm, Liste der Herstellungsdaten deutscher und ausländischer Schreibmaschinen, 11. Aufl., Burghagen Verlag, Hamburg 1962

(6) The Virtual Typewriter Museum, The Mignon 2, http://www.typewritermuseum.org/collection/brands/index.php3?machine=indexmignon2&cat=is (besucht 10.12.2012)

(7) Zeitgenössische Reklame.

(8) L. Dingwerth, Die Geschichte der deutschen Schreibmaschinen-Fabriken, Band 1: Grosse und mittlere Hersteller, 2008,

65 - 86.

(9) VV.AA., Friedrich von Hefner-Alteneck, in: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_von_Hefner-Alteneck (abgerufen 12.12.2012).

(10) Klaus Balbach, Im Dornröschenschlaf auf Dachboden entdeckt: "Mignon Mod. 1", in: Historische Bürowelt, No. 27, April 1990, 12-15

(11) Im Artikel (10) abgedruckte Broschüre.

(12) Photo im Artikel (10).

(13) FR335305 vom 15. September 1903, publiziert am 19. Jänner 1904.

© G. Sommeregger 2012

created 2012-12-09 - last update 2012-12-12

Danke für Kommentare und Korrekturen. Thank you for comments and corrections.